Die Synagoge wurde 1893/94 erbaut und bis 1938 von der israelitischen Gemeinde Steinsfurt für Gottesdienste und Versammlungen genutzt.
Die Planung
Planung der Synagoge
Bei dem Bau der Synagoge spielte die Hoffenheimer Architektenfamilie Dick eine wesentliche Rolle.
Der junge Architekt Wilhelm Dick (1874 - 1904) zeichnete die Pläne für die Synagoge. Es war ziemlich sicher sein erster Bau. Anders als seine späteren Bauten ist die Synagoge sehr schlicht. Dabei wird nicht nur die finanzielle Situation der Gemeinde berücksichtigt, sondern es entspricht auch dem Stil kleinerer Landsynagogen der damaligen Zeit. Historisierend wird vor allem auf romanische Elemente wie Rundbogenfenster zurückgegriffen.
Da Wilhelm noch minderjährig war, unterschrieb er zwar die Pläne, seine Unterschrift fehlt aber auf dem Bauantrag. Dieser wurde am 29. Juli 1892 vom Synagogenrat mit den Plänen beim Bezirksamt Sinsheim eingereicht.
Wilhelms Vater, Anton Dick (1840 – 1900), gab am 22. September 1882 als Bezirksbaukontrolleur ein Gutachten für die Bezirksbehörde über die Pläne seines Sohnes ab. Er befürwortetete den Bau, schlug aber einige Änderungen vor. Die Auflagen wurde weitgehend vom Bezirksamt übernommen.
Die Baugenehmigung wurde vom Großherzoglichen Bezirksamt Sinsheim am 5. Oktober 1892 erteilt.
Am 10. August 1893 konnten die Bauarbeiten vergeben werden.
über die Finanzierung des Baus
Quellen:
Baugenehmigung von 1892: Stadtarchiv Sinsheim, Bestand "Steinsfurt", A 33
Bauantrag 1892 (mit Plänen) in: GLA Karlsruhe, 377 Nr. 8248
Das GLA Karlsruhe hat freundlicherweise der Verwendung der Pläne zugestimmt.
Finanzierung
Die Finanzierung des Baues
„Die Finanzierung des Baues sollte durch Abhaltung einer Lotterie erfolgen. Zur Verlosung kamen Gold- und Silberwaren und sonstige Gebrauchsgegenstände im Wert von 2.556 Mark. Es kamen 4.000 Lose – einschließlich 400 Freilose – das Stück zu 1 Mark zur Ausspielung. Die Ziehung der Gewinne musste unter Aufsicht eines Notars vorgenommen werden, außerdem mussten drei sachverständige Bürger zugegen sein. Der Synagogenrat schlug hierfür Ratschreiber Würfel, Waisenrichter Fischer und Kaufmann G. Brecht vor. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Lose und weiteren Spenden jüdischer Bürger (auch aus Übersee) konnte der Bau der Synagoge bestritten werden.” (aus: Allemania Judaica)
Die Ziehung der Lose war zunächst für den 1. November 1893 geplant. Es kamen jedoch Einwände, da dieser Tag ein katholischer Feiertag ist (Allerheiligen). Daher fand die Ziehung am 9. November 1893 unter der Aufsicht von Notar Dr. Reichhardt statt.
Nicht alle Gewinne wurden abgeholt. Für die übrig gebliebenen Gegenstände wurde später eine Versteigerung in der Gastwirtschaft von Samuel Weil abgehalten:
(Anzeige im Landboten vom 20. Januar 1894)
Grundsteinlegung 1893
Grundsteinlegung 1893
Der Grundstein zur Synagoge wurde am 25. September 1893 gelegt. Die Festrede hielt Lehrer Ferdinand Hanauer.
Nicht nur die gesamte israelitische Gemeinde war anwesend, sondern auch der Bürgermeister und andere Honoratioren des Ortes, wie die örtliche Zeitung,
Die Einweihung fand 1894 statt.
Einweihung 1894
Die Einweihung der Synagoge im Juli 1894
Die offizielle Einweihung der Synagoge fand am 13. Juli 1894 statt. Die Thorarollen wurden im Rahmen eines Festzugs vom alten Betsaal zur neuen Synagoge überführt.
Über das zweitägige Einweihungsfest berichtete nicht nur die örtliche Zeitung „Der Landbote” (♦), sondern auch die in Frankfurt/M erscheinende Zeitung „Der Israelit” (♦) :
"Die … jüdische Gemeinde … feierte am letzten Freitag die Einweihung ihrer neu erbauten Synagoge. Die Festlichkeit verlief in allen Theilen würdig und erhebend. Mit Recht konnte Herr Rabbiner Dr. Sondheimer aus Heidelberg in seiner Festpredigt hervorheben, wie alle Bewohner Steinsfurths ohne Unterschied des Glaubens in seltener Einmütigkeit durch Beflaggen der Häuser und Betheiligung an der Feier wetteiferten. Sowohl der katholische als auch der evangelische Geistliche des Dorfes waren unter den Ehrengästen."
Diese Passage belegt nicht nur die feierliche Atmosphäre der Einweihung, sondern ist ein deutlicher Hinweis auf ein einvernehmliches Zusammenleben von Christen und Juden. Die rege Teilnahme von Einwohnern aller Konfessionen einschließlich der Geistlichen zeigt, dass Juden längst zu akzeptierten und ins Dorfleben integrierten Mitbewohnern geworden waren.
Verkauf 1938
Der Verkauf der Synagoge im Oktober 1938
Die jüdische Gemeinde konnte ihre neue Synagoge nur etwas mehr als 40 Jahre nutzen. Dann mussten sie sie verkaufen.
Abwanderung
Seit 1870 reduzierte sich die Zahl der Gemeindemitglieder kontinuierlich. Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft beschleunigte sich der Mitgliederschwund durch Auswanderung noch mehr.
Verkaufszwang
Verschiedene repressiven Maßnahmen der NS-Regierung zwangen die jüdische Gemeinde 1938 zum Verkauf der Synagoge.
Vertrag 1938
Der Vertrag für den Verkauf der Synagoge wurde am 25.10.1938 von Josef Weil und Karl Leonhardt unterzeichnet.
Pogromnacht 1938
Die Synagoge sollte am 9. November 1938 demoliert werden, durch den Besitzwechsel wenige Tage vorher blieb sie jedoch erhalten.
Auflassung 1939
Die endgültige Eigentumsübertragung mit der Eintragung im Grundbuch fand erst im Juli 1939 statt.
Nach dem Verkauf
Die Synagoge wurde zunächst als Lagerhaus genutzt und verfiel. Inzwischen ist sie ein wichtiges Kulturdenkmal.
Der Verein Alte Synagoge Steinsfurt e.V. bemüht sich, das Bauwerk zu erhalten, zu restaurieren und mit neuen Leben zu erfüllen.