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Die Synagoge als Zufluchts, Verkaufs- und Lagerraum

Karl Leonhardt (1906 - 1970), der die Synagoge gekauft hatte, besaß das unmittelbar angrenzende Nachbargrundstück, auf dem er einen Handel mit Landprodukten betrieb. Er wollte die Synagoge als Erweiterung seiner Lager- und Verkaufsräume verwenden. Durch den Krieg wurde dies jedoch hinausgezögert.

Es ist unklar, wie sehr die Synagoge im Krieg beschädigt wurde. Man sieht deutlich die Spuren von Gewehrkugeln und das Dach musste anscheinend später neu gedeckt werden. Aber nach Angaben des Restaurators stammen die meisten Fensterscheiben aus der Bauzeit.

Dies passt auch zu dem, was uns eine Dorfbewohnerin erzählte:
Als die Amerikaner am 2. April 1945 nach Steinsfurt einrückten, wurden einige Häuser am Kirchberg geräumt. Etwa 10 Personen, die vertrieben worden waren, hausten für einige Tage in der leergeräumten Synagoge und schliefen dort auf dem Fußboden..

Karl Leonhardt wurde im Mai 1948 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Daher fiel er unter die Heimkehreramnestie. Er nahm seinen Handel wieder auf. Er lagerte und verkaufte in der Synagoge einerseits Lebensmittel, wie Kartoffeln und Mehl, andererseits aber auch verschiedene Düngemittel und sogar verschiedene Gifte, z.B. gegen Kartoffelkäfer („Kartoffelstäub“) und Ratten. Dazu baute er an der Seite noch ein Vordach an, wo er seinen Wagen unterstellte sowie Torf und andere Materialien zwischenlagerte.

Viele der damals in Steinsfurt Lebenden erinnern sich noch, dass sie in dieser Zeit die Synagoge besuchten. Nur wenige betrachteten aber das Innere des Gebäudes genauer. Mehr Eindruck machte anscheinend Karl Leonhardt selbst. Es werden verschiedene Anekdoten über ihn erzählt, die auch mit seinem Uz-Namen „Schwingmehl“ zusammenhängen. Der Name war so bekannt, dass nicht nur ein kleiner Junge ihn mit „Herr Schwingmehl“ anredete, was nicht immer ohne Folgen blieb.

Diese Nutzung hatte den positiven Effekt, dass Karl Leonhardt im Inneren nur das veränderte, was beim Betrieb störte, und z.B. die Wandbemalung weitgehend unzerstört blieb. Andererseits wurden die Wände durch den hier gelagerten Dünger mit Salzen belastet, die uns auch heute noch vor Probleme stellen.