Die Gedenktafel zum ersten Weltkrieg in der Synagoge
Die Tafel wurde von Else Vogt aus Philadelphia und Samuel Weil gestiftet.In der Synagoge befindet sich an der nördlichen Ostwand eine auf den Putz aufgemalte Gedenktafel an die jüdischen Opfer des ersten Weltkrieges.
Sie wurde wahrscheinlich vor dem Jahr 1928 angebracht, denn der Tod von Ludwig Freudenthaler ist mit einer anderen Schrift eingetragen worden.
Der hebräische Text auf der Tafel stammt aus Psalm 118 und heißt „Ich werde nicht sterben, sondern leben (und die Werke des HERRN verkündigen)” ◊
Julius Weil M S
Julius Weil (1888 - 1915)
ist am 15.01.1888 als viertes von sieben Kindern des Handelsmanns Moritz Weil und seiner Ehefrau Regina geb Levy geboren◊.
Julius war Mitglied im Sportverein "Phönix". Das rechte Bild ◊ zeigt ihn als Mitglied der Turnerriege (vor ihm Wilhelm Frank II).
Für Julius Weil wurde im Bürgerbuch von Steinsfurt eingetragen: er trat am 4. Februar 1913 als „Handelsmann” sein angeborenes Bürgerrecht an◊.
Auch in seinem Sterbeeintrag◊ ist angegeben, dass Julius „Handlungsgehilfe” war und noch in Steinsfurt lebte.
Er war Ersatzreservist der 4. Kompagnie des „Königlich Preußischen Füsilierregiment Nr. 40” und starb am 14. Mai 1915 bei Angres durch eine Granatverletzung◊.
Seine Eltern sind auf dem Friedhof bei Waibstadt begraben.
Fritz Weil
Friedrich Weil (1895 - 1916)
Friedrich Weil, genannt Fritz, wurde am 18. Juni 1895 in Steinsfurt als fünftes von acht Kindern des Händlers und Gastwirts Samuel Weil geboren. Seine Mutter war Berta geb. Weil , eine Schwester von Hermann Weil.
Friedrich besuchte die Realschule in Sinsheim. Als er im Juli 1910 schon mit 15 Jahren das „Zeugnis der Reife” erhielt, wurde für ihn als Berufsziel „Kaufmann” eingetragen◊. Dazu ging er nach Antwerpen.
In seinem Sterbeeintrag steht, dass Fritz Musketier in der 3. Kompagnie des „Königlich preußischen 8. Badischen Infanterieregiments Nr. 169” war. Er fiel am 1. Juli 1916 bei Bapaume (im Artois) beim Sturmangriff der Engländer auf die deutschen Stellungen (1. Tag der „Schlacht an der Somme”).
Seine Eltern haben ein gemeinsames Grab auf dem Friedhof bei Waibstadt. Der Grabstein zeigt bei seinem Vater ein Schofar-Horn.
Das Foto von Friedrich wurde uns freundlicherweise von Carlos Weil zur Verfügung gestellt
Julius Weil S S
Julius Weil (1893 - 1916)
Julius Weil wurde am 28.05.1893 ◊ in Steinsfurt geboren.
Seine Eltern waren der Handelsmann Sigmund Weil (*15.02.1862, ✡21.11.1925, beides in Steinsfurt) und dessen Ehefrau Zerlina geb Heidenheimer (*22.01.1866 in Berlichingen, 13.07.1944 in New York). Die Eltern hatten am 12. Februar 1889 in Heilbronn geheiratet. Sie hatten 9 Kinder, die alle in Steinsfurt geboren wurden: Berta (1890 - 1892), Frieda (1892 - 1997(!)), Julius, die Zwillinge Eugen Max und Martha (beide 1895 - 1896), Sali (*, ✡1898), Hugo (1899 - 1970) und Selma (1904 - 1976).
Julius besuchte die Realschule in Sinsheim und verließ sie nach der OIII, was ungeführ dem mittleren Bildungsabschluss entspricht.
In einer deutschen Verlustenliste, die am 20. Juni 1917 veröffentlicht wurde, ist er aufgelistet als „leicht verwundet”. Offensichtlich ist er von dieser Verwundung genesen und wurde wieder eingesetzt, denn er wurde wenige Tage vor Kriegsende – am 5.10.1918 – als vermisst gemeldet.
Auf der „Ehrentafel von Steinsfurt”, die in der Verwaltungsstelle aufbewahrt wird, wurde im 3. Reich sein Bild entfernt und sein Name durchgestrichen.
Er wird auf der Gedenktafel in der Synagoge genannt.
Quellen
Standesregister Steinsfurt
Ludwig Freudenthaler
Ludwig Freudenthaler (1889 - 1928)
Ludwig Friedrich Freudenthaler zählt zu den vier Juden aus Steinsfurt, die auf einer Gedenktafel in der Synagoge als Opfer des Ersten Weltkrieg geehrt wurden.
Er wurde am 9. Januar 1889 in Richen geboren als Sohn von Aron Freudenthaler 1848 - 1912), einem Metzger und Handelsmann, und seiner Frau Sophie geb. Bär (1851 - 1937) ◊. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Adelheid (*1879), Julius (*1881), Wilhelm (*1883) und Ludwig. Adelheid starb noch im Jahr ihrer Geburt. Wilhelm fiel im März 1818 bei St. Quentin und ist auf der Ehrentafel im jüdischen Friedhof Eppingen aufgeführt.
Ludwig Freudenthaler war Kaufmann. Er heiratete am 6. Januar 1920 in Heidelberg Hedwig Ottenheimer, die am 19. Februar 1893 in Heinsheim als Tochter des Handelsmanns Moses Ottenheimer (1861 - 1942) und seiner Ehefrau Hannchen geb Kaufmann (1867 - 1932) geboren war ◊. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Anna (*1925 in Heidelberg, ✡2010 in Paris) und Hilde (*1926 in Steinsfurt, ✡2015 in Baltimore).
In Steinsfurt wurde Ludwig Freudenthaler Buchhalter in der Baustoffhandelsfirma Eichtersheimer. 1927 gründete er einen eigenen Metall-, Holz- und Bauwarenhandel ◊.
Auf der Gedenktafel ist vermerkt, dass Ludwig Freudenthaler am 6. Mai 1915 verwundet worden war. Er verlor dabei einen Fuß. Er starb am 20. Juni 1928 bei einem Besuch im Haus seines Bruder Julius in Richen und ist auf dem Friedhof in Eppingen begraben ◊.
Der hebräische Text auf seinem Grab gibt als seinen Namen Levi an.
In der Eppinger Zeitung wurde am 21. Juni 1928 ein Nachruf veröffentlicht.
Nach dem Tod ihres Ehemanns zog die Witwe Hedwig Freudenthaler wieder nach Heimsheim zu ihren Eltern. Sie wurde zunächst nach Gurs deportiert und schließlich in Auschwitz ermordet.
Quellen:
Einträge der Standesämter in Eppingen, Heidelberg, Heinsheim und Sinsheim (alles im jeweiligen Stadtarchiv)
{snippet AS-d| A 305, 526}
Das Bild von Ludwig Freudenthaler erhielten wir von seinen Enkeln.
Das Foto vom Grabstein wurde von M.Heitz zur Verfügung gestellt.
Den Ausschnitt aus der Eppinger Zeitung mit dem Nachruf erhielten wir vom Stadtarchiv Eppingen.
Else Vogt
Elsa Vogt, geb Weil (1886 - 1972)
Auf der Gedenktafel für die vier jüdischen Opfer des ersten Weltkriegs stehen Elsa Vogt und Samuel Weil V.S. als widmende Personen.
Elsa Weil wurde am 30.07.1886 in Steinsfurt geboren ◊ . Sie ist die Tochter des Handelsmann Moritz Weil (*1849 in Steinsfurt, ✡ 1923 in Steinsfurt) und seiner Ehefrau Regina, geb Levy (*1853 in Herxheim, ✡ 1928 in Steinsfurt). Das Ehepaar hatte 1883 in Steinsfurt geheiratet und hatte sieben Kinder: Gertraud (starb noch am Tag der Geburt 1884), Karoline (*1885), Elsa, Julius (1888 - 1915), an den auf der Gedenktafel erinnert wird, Jenny (*1889), Selma (1893 - 1975) und ein totgeborenes Kind.
Elsa heiratete 1916 in New York Charles H Vogt aus Philadelphia. Charles war 1886 in Philadelphia als Sohn der deutschen Einwanderer Friedrich und Sophia Vogt geboren. Friedrich betrieb in Philadelphia zunächst eine kleine Metzgerei, die er aber schon bald zu einer Fleischverarbeitungsfabrik ausbaute. Später war auch Charles an dieser Firma beteiligt und arbeitete dort in leitender Funktion. Er meldete mehrere Patente im Bereich der Fleischverarbeitung und Wurstfabrikation an. Die Firma wurde 1948 von der Oskar Mayer & Co übernommen, die heute zur Kraft Foods Group gehört.
Das Ehepaar Charles und Elsa Vogt hatte zwei Söhne, Richard (1917 - 2007) und Edward (1918 - 1991). Charles, der Ehemann von Elsa, starb 1963 in Philadelphia, Elsa selbst starb im Dezember 1972 in Mongomery, Maryland.
Die Eltern von Elsa Vogt sind auf dem Waibstadter Friedhof begraben.
Quellen:
Standesbücher von Steinsfurt
Death Certificates der Vogt-Familie
Patentschriften für Charles H.Vogt
Samuel Weil
Samuel Weil (1859 – 1933)
Samuel Weil wurde am 9. Mai 1859 als Sohn des Gastwirts Veis Weil (*1821) und dessen Ehefrau Elise geb Weil (*1822) in Steinsfurt geboren.
Er heiratete am 15. Mai 1887 Berta Weil (1863 - 1928), eine Schwester von Hermann Weil.
Das Ehepaar hatte 8 Kinder, Getta (* 1889), Flora Julie (*1890), Paula (*1892), Lily (*1893), Friedrich (*1895), Johanna (*1897), Alice (*1902) und Josef Sigmund (*1904).
Samuel Weil übernahm 1891 nach dem Tod seines Vaters dessen Gastwirtschaft mit Branntweinausschank. Die Weiterführung wurde vom Gemeinderat befürwortet, da es die einzige Gastwirtschaft mit Ausschank für Israeliten im Ort war. ◊
Samuel Weil litt im Alter an starker Diabetes. Ihm musste schließlich der rechte Fuß wegen einer Gangrän amputiert werden. Später zeigte sich auch am linken Fuß eine Gangrän. Er starb am 3. Januar 1933 und ist auf dem Waibstadter Friedhof neben seiner Frau begraben. Auf seiner Seite des Grabsteins ist ein Schofarhorn wiedergegeben, als Zeichen für sein Amt in der Gemeinde.
Samuel Weils Name steht auf der Gedenktafel in der Synagoge. Er ist einer der Stifter, weil sein Sohn Friedrich unter den Gefallenen ist.
Quellen
Das Bild von Samuel Weil mit seinen Enkeln stellte uns H.Appenzeller aus seiner Sammlung freundlicherweise zur Verfügung
GLA 377-4330, 480-15067
Standesbücher Steinsfurt